Waldsterben 2.0: Kalkungsbedarf so dringend wie nie zuvor
Pressemitteilung vom 10. Dezember 2020
Waldzustandsberichte 2020 erschienen
Die ersten Waldzustandsberichte 2020 liegen für sechs Bundesländer vor. Sie zeigen, dass es dem deutschen Wald immer schlechter geht. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Mindestens 16 Prozent aller Waldböden sind derart versauert, dass sie ohne aktive Sanierung durch die Forstwirtschaft längerfristig nicht regenerieren können. Auf diesen Flächen können nur noch konsequente und mehrmalige Waldkalkungen helfen.
Köln, 10. Dez. 2020. Die ersten Waldzustandsberichte (WZB) für 2020 sind für sechs Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt) erschienen. Sie zeigen alle, dass der deutsche Wald in einer noch größeren Krise steckt als während der Zeit des „Waldsterbens“ in den 1970er-/80er-Jahren. Über 285.000 Hektar Wald sind in den letzten drei Jahren abgestorben. Das Zusammenwirken der sehr starken Bodenversauerung durch frühere Versauerungen und noch immer vorhandenen sauren Regen einerseits und den Auswirkungen des Klimawandels wie Trockenheit, Borkenkäferbefall, Waldbrände und extreme Witterungsereignisse andererseits setzen allen Baumarten in dramatischer Weise zu.
Zwei der wichtigsten Indikatoren für den Gesundheitszustand der Bäume, die Dichte der Kronen und der Blatt- bzw. Nadelverlust, haben sich noch einmal deutlich verschlechtert. Der Anteil der Bäume mit deutlicher Kronenverlichtung hat beispielsweise in NRW seit den letzten WZB von 42 auf 44 Prozent zugenommen und damit den höchsten Wert seit 1984, den Beginn der Erhebungen, erreicht.
Kranke Böden = kranke Wälder
Für den schlechten Zustand unserer Wälder ist an vielen Standorten die sehr starke Bodenversauerung mitverantwortlich. Da der Wald wie ein riesiger Filter wirkt, hat er die Säuren und andere Schadstoffe aus der Luft herausgefiltert. Das ist generell gut für die Luftreinheit, aber gleichzeitig verschlechtert der Wald dabei die eigenen Lebensbedingungen, da die Säuren die Waldböden versauern. Dadurch werden die Feinwurzeln der Bäume geschädigt und damit die Wasser- und Nährstoffaufnahme gehemmt. Dies führt dazu, dass viele Bäume, insbesondere Fichte und Kiefer, (noch) flacher wurzeln als ohnehin schon und ihre Wurzeln nicht mehr den gesamten Wurzelraum ausfüllen. Dem Klimawandel sind die Waldbäume dann umso mehr ausgeliefert, denn ihre Sensitivität gegenüber Trockenheit ist viel größer, wenn sie schon krank sind.
Waldkalkung optimales Sanierungsinstrument
Die Waldböden sind in vielen Regionen bereits so sauer, dass sie sich nicht mehr von selbst regenerieren können. Der Mensch muss dann eingreifen, um die Bäume klimastabil zu erhalten. Ein besonders bewährtes Instrument für eine aktive Verbesserung der pH-Werte ist die Waldkalkung. Vornehmlich wird Magnesiumkalk mittels Hubschraubern oder Verblasegeräten über den sehr stark versauerten Waldböden verteilt. Wie wichtig die Kalkung für geschädigte Waldböden tatsächlich ist, zeigt eine aktuelle Studie der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (Energieholzernte und stoffliche Nachhaltigkeit, EnNa). Sie errechnete einen Bedarf für Kalkung auf bundesweit 1,8 Mio. Hektar Waldfläche. Pro Jahr müssten rund 124.000 Hektar Fläche bearbeitet werden, und zwar mit mindestens 5 Tonnen Kalk pro Hektar. Die Studie empfiehlt 2-3 Kalkungen über eine Laufzeit von 20 bis 30 Jahren in allen geschädigten Gebieten. Damit bleiben die Forscher sogar noch unter den Schätzungen des Bodenzustandsberichts 2, der sogar eine doppelt so große Fläche mit Kalkungsbedarf feststellte.
Bodenschutzkalkung muss höhere Priorität bekommen
Der Kalkungsbedarf ist von der Forstwirtschaft vielerorts zwar erkannt worden. Aber bei der Umsetzung stockt es in mehreren Bundesländern seit Jahren. Beispiel Baden-Württemberg: Von den 2010 geplanten bedürftigen 210.000 Hektar Wald wurden bis heute nur ca. 65 Prozent gekalkt. Vor allem lag es an verwaltungstechnischen Problemen. Denn der administrative Aufwand bei Privat- und Kommunalwäldern ist sehr hoch. Auch in Rheinland-Pfalz wird seit einigen Jahren kaum im Wald gekalkt, obwohl ein fundiertes wissenschaftliches Konzept dies für sinnvoll erachtet. Nach Ansicht der Düngekalk-Hauptgemeinschaft (DHG) benötigen die geschädigten Waldböden schnelle Hilfe, damit nicht noch mehr Wälder absterben. Weiteren Aufschub könne sich kein Bundesland mehr leisten. Dem deutschen Wald gehe es bereits heute viel zu schlecht dafür.